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Vor einigen Tagen warb Obmann der IMO (Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen) Tarafa Baghajati in einem Youtube-Video für Alexander Van der Bellen. In einem anderen Video kritisierte er auch die Slogan „So wahr mir Gott helfe“ von Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer. Darauf hat Strache ihn vorgestern auf Facebook angegriffen. Genügend Gründe für ein Interview mit dem muslimischen Prediger Baghajati.
biber: Herr Dipl.- Ing. Tarafa Baghajati, ich habe entdeckt, dass Sie auf Youtube Videos über Islam-Botschaften posten. Warum machen Sie das bzw. was ist Ihr Ziel?
Baghajati: Die Jugendlichen haben immer wieder Fragen, wie der Islam zu verschiedenen Themen steht. Und es ist für sie nicht einfach, selbst die islamischen Quellen zu studieren, die meist Arabisch sind. “Scheich Google” führt sie im Internet auch zu dubiosen und gefährlichen Seiten. Daher ist die Idee entstanden, aktuell diskutierte Themen in Videobeiträgen von ca. 10 Minuten zu behandeln. Die Themen gehen von der Rekrutierung von Jugendlichen durch IS über die Kompatibilität der europäischen und islamischen Werte und die Demokratie bis hin zu Fragen der Gewalt z.B. “Koran und das Schwert”. Es gibt aber auch Antworten auf ganz alltägliche Fragen, Händeschütteln zwischen Mann und Frau, Umgang mit Hunden oder Islam und Musik.
biber: Sie haben kürzlich eine Video-Botschaft gesendet, wo Sie die Aussage „so wahr mir Gott helfe“ von Norbert Hofer kritisieren. Was ist genau Ihre Kritik und was ist falsch an der Aussage Hofers?
Baghajati: Ich muss hier klarstellen, dass das keine religiöse Botschaft war, sondern eine rein politische ohne eine tiefere theologische Analyse. Nichts ist falsch daran, wenn Norbert Hofer um Gottes Hilfe bittet, das tun wir Muslime ständig. Das Problem ist die Verbindung zu seinen Wahlplakaten und zu der Islamfeindlichkeit der FPÖ, die leider immer wieder als ein Wahlkampfmechanismus bewusst und emotional angesetzt wird. Er benutzt den Gottesbezug als Ausgrenzung.
biber: Herr Strache hat dieses Video von Ihnen geteilt und Sie als einen „Vertreter des politischen Islams“ bzw. als „islamischen Politaktivisten“ bezeichnet. Sind Sie in einer Partei tätig oder sind Sie überhaupt ein Politiker?
Baghajati: Eigentlich wollte ich keine Riesenaufregung, sondern lediglich ein wenig zum Nachdenken anregen. Die Postings auf der FB-Seite des Herrn Strache persönlich, bei den FPÖ nahen Medien wie “Unzensuriert”, “Erstaunlich” und “Wochenblick” aber auch auf meiner FB-Seite und in meinem YouTube Kanal unter dem Beitrag zeigen, dass meine in dieser Videobotschaft geäußerten Sorgen berechtigt sind. Wer den anderen nicht akzeptiert, für ein Österreich des Gegeneinanders auftritt und eine Vergiftung das Klimas im Land statt eines sozialen Zusammenhalts anstrebt, sollte nicht in der Hofburg sitzen und Österreich international repräsentieren.
biber: Warum denken Sie, dass Herr Strache sowas Ihnen vorwirft?
Baghajati: Der FPÖ fehlen sachliche Argumente und daher kommen sie mit Totschlagargumenten und mit persönlichen Beschimpfungen, wie “Vertreter des politischen Islam”, “Muslim-Boss” etc. Aus meiner Sicht liegt sein Problem ganz woanders. Die FPÖ kann nicht akzeptieren, dass ein österreichischer Muslim über die österreichische Politik redet und mitentscheidet. Für sie bleibt ein nicht aus Österreich stammender Bürger ein Ausländer, den sie als vorübergehenden “Gast” sehen wollen. Das ist der Kern ihres Problems.
biber: Werden Sie juristische Maßnahmen gegen das Posting von Strache einsetzen bzw. ihn verklagen?
Baghajati: Nein, das ist eine harte politische Auseinandersetzung und keine rechtliche. Einige Postings aber fallen sicherlich unter Verhetzung, diese sind öffentlich und sollten eigentlich angezeigt bzw. verfolgt werden.
biber: Sie haben letztens eine Ansprache für die Jugend gehalten. Es gab bis jetzt schon immer Wahlen aber Sie waren nicht wirklich so aktiv. Warum haben Sie jetzt der Jugend eine Ansprache auf Youtube gehalten?
Baghajati: Noch nie war die Stimme der jungen Wählerinnen und Wähler so wichtig wie in dieser Bundespräsidentschaftswahl. Daher ist es begrüßenswert und sehr aufmunternd, dass junge Leute sich zusammenschließen und überparteilich für ein Österreich des Mit- und Füreinander eintreten und nicht für ein Österreich der Ausgrenzung und Diskriminierung.
biber: Werden Sie von Van der Bellen bezahlt bzw. von jemand anderen unterstützt? Warum machen Sie das?
Baghajati: Nein. Ich mache es ungefragt (lacht) und es bezahlt mir dafür niemand. Moralische Unterstützung erfahre ich aber von vielen, die dieses Engagement begrüßen und für wichtig halten.
biber: Was sind Ihre Pläne für die nahe Zukunft?
Baghajati: Die Herausforderungen werden jedenfalls nicht kleiner. Zivilgesellschaftliches Engagement für mehr Respekt und sozialen Zusammenhalt bleiben an oberster Stelle, in welcher Form oder Funktion auch immer. Wir streben eine Verjüngung der IMÖ an und wollen die Jugend für dieses Engagement begeistern.
Dipl.- Ing. Tarafa Baghajati lebt und arbeitet als Bauingenieur seit 1986 in Wien. Er ist Co-Vorsitzender der Plattform Christen & Muslime. Außerdem wirkt Herr Baghajati als Kulturreferent in der Islamischen Religionsgemeinde Wien und ist Mitglied von ENAR (Europäisches Netzwerk gegen Rassismus). Desweiteren ist er derzeit als ehrenamtlicher islamischer Gefängnisseelsorger beschäftigt. Zudem arbeitet Tarafa Baghajati als Vorstandsmitglied von EMISCO European Muslim Initiative for Social Cohesion und ist Stellvertretender Obmann des Wiener Islamisches Institut für Erwachsenenbildung – WIIEB.
Herr Baghajati beschreibt als Obmann die Ziele von IMO (Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen): „Wir streben eine positive gesellschaftliche Veränderung an, in der soziale Werte stärker im allgemeinen Bewusstsein verankert sein sollen. Wir fördern die gesellschaftliche Partizipation von muslimischen BürgerInnen im Sinne des Allgemeinwohls, indem wir offen in verschiedenste Richtungen initiativ auftreten. Bei unseren Projekten arbeiten Männer und Frauen, die den Islam angenommen haben, genauso wie MigrantInnen, die als geborene Muslime in Österreich eine zweite Heimat gefunden haben, basisdemokratisch miteinander. Das Zusammengehen gerade auch mit Freunden anderer Religionen oder Weltanschauung erleben wir als sehr erfreulich. Solche Beiträge sind wichtig und willkommen. Durch unterschiedliche berufliche Hintergründe können wir auch bei speziellen Sachfragen kompetent reagieren. Dazu sind wir mit österreichischen kulturellen Strukturen vertraut und gleichzeitig Insider in Fragen des Islam und seiner kulturellen Ausprägungen. Daraus ergibt sich eine Rolle als Mittler zwischen Religionen und Kulturen, die wir gerne wahrnehmen.“